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März 7, 2024

Lese- und Rechtschreib-Erwerbstörung​

Es sind sowohl Kinder betroffen, die bereits logopädische Erfahrung infolge einer Sprachentwicklungsstörung haben, aber auch Kinder, die eine altersnormale Sprachentwicklung durchlaufen haben. Die Kinder können isolierte Probleme beim Lese- oder Schreiberwerb haben oder kombiniert, beim Erwerb beider Kompetenzen. Neben den sehr individuellen Fehlerschwerpunkten, ist es sehr wichtig genau zu gucken, womit betroffene Kinder in der Schule Probleme haben, welche Lernmethode dort angeboten wird und was daran schwerfällt. Mit der Therapie wollen wir eine Alternative bieten zu den gewohnten, oft nicht ausreichend erfolgreichen Lernmethoden.

Vor Aufnahme der Therapie muss aber auch diagnostisch geschaut werden, welche Basiskompetenzen dem betroffenen Kind noch nicht ausreichend zur Verfügung steht. Hier ist vor allem die Phonologische Bewusstheit, als eine Teilkompetenz der Auditiven Verarbeitung, zu nennen: Kann das Kind alle Merkmal gesprochener Sprache genau differenzieren, erkennt es z.B. den Unterschied zwischen langem und kurzem Vokal, kann es jedem Sprachlaut einen Buchstaben zuordnen (schreiben) und umgekehrt (lesen), kann es Nomen im Kontext gesprochener Sprache heraushören, um sie groß zu schreiben, erkennt es Satzgrenzen, um nur einiges wenige zu nennen? Lesen – und Schreibenlernen ist ein höchst individueller Prozess und folgt einer festgelegten Reihenfolge.


Lesen

Kinder lesen zunächst einzelheitlich – Buchstabe für Buchstabe. Lesen wird mit der Leseerfahrung zunehmend automatisiert. Mit zunehmender Leseerfahrung lernen Kinder die Buchstaben zu größeren silbischen Einheiten zu synthetisieren, und lesen schließlich ganze Wörter. Es entsteht ein sogenannter Sichtwortschatz, von Wörtern die häufig gelesen werden und schließlich liest der kompetente Leser mit Blicksprüngen über einen Satz und den Text hinweg und kann im Kontext erkennen, aus welchen Wörtern sich ein Satz und der ganze Text zusammensetzt. Kompetent Lesen bedeutet auch eine Erwartung für Wörter zu haben, die sich aus dem Zusammenhang quasi zwingend ergeben.

EINZELHEITLICHES LESEN… 

bedeutet, dass das Kind das anfängt Lesen zu lernen zunächst jeden Buchstaben einem Sprachlaut zuordnen können muss. In der Folge liest es Buchstabe für Buchstabe, hält die Information über jeden Buchstaben und die Reihenfolge der Buchstaben im Kurzzeitgedächtnis – dem sogenannten Arbeitsspeicher aufrecht und fügt anschließend die Buchstaben zu einem Wort zusammen, indem es die Informationen mit dem eigenen Wissen für Wörter vergleicht: Das Kind liest L – ö – w – e, merkt sich die Laute und deren Reihenfolge und versucht im eigenen Wortwissen einen Information darüber herzuleiten. Wenn es aufgrund seines Weltwissens das Wort Löwe kennt, wird es die erlese Information damit abgleichen und erkennen, dass es das Wort Löwe gibt und das es das soeben gelesen hat.

Je häufiger das Wort Löwe gelesen wird, desto flüssiger wird dies gelingen. Zunächst wird das Kind Lö – we lesen, bis es nach einigen weiteren Versuchen alle Merkmale des Wortes immer schneller erkennt und schließlich Löwe liest – Löwe ist im individuellen Sichtwortschatz integriert. Das einzelheitliche Lesen ist mühsam und langsam. Erst mit der zunehmenden Leseerfahrung wird das Lesen flüssiger, gelingt schneller und wird anstrengungsfreier.

GANZHEITLICHES LESEN… 

bedeutet, dass das Kind zunehmend auf das einzelheitliche Lesen von Buchstaben verzichten kann. Zunächst erfasst das Kind visuell größere Einheiten eines Wortes, die Silben und mit zunehmendem Sichtwortschatz auch ganze Wörter. Mit der Erfahrung lernt das Kind den Sinnzusammenhang eines Satzes oder Textes in sein Lesen zu integrieren und hat Erwartungen an die Wortwahl des Lesematerials.

Es erkennt bestimmte Merkmale eines Wortes z.B. die Anfangssilbe oder sogar nur den Anfangsbuchstaben und kann sich anhand des Sinnzusammenhangs im Satz oder Text sehr schnell erschließen welches Wort gelesen werden muss, z.B. ergibt sich als logische Schlussfolgerung aus dem Sinnzusammenhang und dem Erlesen des Anfangsbuchstabens, dass „ich komme mit dem F… zur Schule“, /Fahrrad/ heißen muss und nicht /Fuß/ – im Sinne von „ich komme zu Fuß zur Schule“.


Schreiben

Kinder lernen zunächst lauttreu zu schreiben und erst auf diese Kompetenz folgt nach und nach die Beachtung orthographischer und grammatischer Regeln.

ist auch bei der Sprechapraxie die Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit. Auch hier gilt es die Therapie sehr individuelle an den Bedürfnissen des betroffenen Patienten zu orientieren und die Angehörigen in die Therapie mit einzubeziehen. Viel Verständnis ist von Seiten der Angehörigen gefordert, da den Betroffenen selber in der Regel ihr kommunikatives Unvermögen bewusst ist, sie aber in dem Moment nicht wissen wie sie etwas verändern können.

LAUTTREUES SCHREIBEN… 

bedeutet, dass alles was man hören kann, geschrieben wird. Dazu ist es zuerst einmal wichtig, dass das Kind allen Sprachlauten auch einen Buchstaben zuordnen kann. Es muss aber auch alle Laute korrekt hören oder sich selber vorsprechen  können. Ca. 64 % aller Wörter werden lauttreu geschrieben.

Die Kompetenz des lauttreuen Schreibens kann z.B. schon durch eine Artikulationsstörung im Rahmen einer Sprachentwicklungsstörung gestört sein. Spricht ein Kind Laute nicht korrekt oder vertauscht es Laute, wird es diese auch nicht korrekt schreiben oder beim Schreiben ebenfalls vertauschen.

OORTHOGRAPHISCHES SCHREIBEN… 

bedeutet, dass das lauttreue Schreiben zunehmend ergänzt wird durch korrekte Orthographie. Bei der Orthographie handelt es sich in der Regel um schriftliche Besonderheiten innerhalb eines Wortes, die nicht zu hören sind: so wird ein Dehnungs-h nicht gehört und auch einen Doppelkonsonanten kann man nicht hören – man kann ihn durch silbisches Sprechen hörbar machen, was nicht dem normalen Sprachfluss entspricht:  bei dem Wort Sonne kann das doppelte /n/ nur gehört werden, wenn das Wort in zwei Silben „Son – ne“ ausgesprochen wird. In einem gesprochenen Satz würde nicht silbisch gesprochen werden, es sei denn dieses Phänomen soll besonders betont werden.

Ein weitere Besonderheit der Orthographie sind zum Teil häufige Ausnahmen, die es den Kindern schwer machen, die Regeln immer korrekt anzuwenden: Der Gebrauch des Dehnungs-h ist zunächst abhängig vom langen Vokal, aber auch von den Lauten die darauf folgen: l, m, n oder r. Beginnt das Wort aber mit einem Mehrfachkonsonanten, wird kein Dehnungs-h geschrieben. Außerdem wird mit dem Auslassen des Dehnungs-h oft ein Bedeutungsunterschied markiert: Wahl oder Wal.

Auch die drei Varianten zur Verschriftlichung des /s/ folgen auf ein umfangreiches Regelwerk, dass man anhand von phonologischen Informationen innerhalb des Wortes ableiten muss. Wann wird /s/, /ss/ oder /ß/ geschrieben und dann gibt es für das /s/ am Wortende noch mehr Regeln: Oder warum wird Glamit /s/ geschrieben, wenn die Regel doch lautet, dass ein /s/ das stimmlos ist und auf einen langen Vokal folgt als /ß/ geschrieben wird?

Bei allen orthographischen Regeln gilt, dass sogenannte entlehnte Wörter (eingedeutscht aus einer Fremdsprache) nicht mit Berücksichtigung des orthographischen Regelsystems des Deutschen geschrieben werden.

GRAMMATISCHES SCHREIBEN… 

bedeutet, dass sich die korrekte Schreibweise aus dem grammatischen Gebrauch eines Wortes im Kontext eines Satzes ergibt, dazu zählt z.B. die Großschreibung nach einem Punkt oder die Nominalisierung von Verben und Adjektiven. Häufig werden auch Wörter zusammengesetzt und ihre Schreibweise verändert: einsam aber Einsamkeit. Auch die sogenannte Auslautverhärtung gehört zu dieser Kompetenz, die Kinder müssen regelgeleitet wissen, dass z.B. Kormit /b/ geschrieben wird, obwohl man beim Sprechen ein /p/ hört.

Dann gibt es offensichtliche Doppelkonsonanten, die gar keine sind, so z.B. in Fahrrad. Hier ergibt sich das doppelte /r/ aus der Zusammensetzung von fahren und Rad. Und zu allem Überfluss wird das Verb /fahren/ in dem Wort Fahrrad plötzlich groß geschrieben, da es mit einem Nomen kombiniert wird, während /radfahren/ je nach Gebrauch im Satz klein geschrieben wird, obwohl es sich um die Kombination der gleichen Wörter Rad und fahren handelt: Wir wollen radfahren. Aber: Wir wollen mit dem Rad fahren.

Diese Kompetenz wird mit zunehmendem Alter schulischem Fortschritt wichtig, wenn die Kinder immer häufiger Sätze und Texte schreiben.

Ziel der Therapie ist es, den Kindern neue Freude am Lesen und Schreiben zu vermitteln, da sie diese häufig bereits verloren haben und Lesen und Schreiben als anstrengend empfinden. Nicht selten haben Kinder bereits ungünstige Strategien entwickelt:

  • Ratelesen, was wiederum das Verstehen des Gelesenen erschwert oder sogar unmöglich macht.
  • Unleserliches Schreiben, damit die Lehrerin raten muss, was geschrieben wurde und im Zweifelsfall hoffentlich wohlwollend entscheidet.

Diese Strategien gilt es abzubauen. In der Therapie werden dem betroffenen Kind neue Wege – Strategien vermittelt Lesen und Schreiben zu lernen. Dabei muss individuell entschieden werden, ob es sinnvoll ist, die schulischen Methoden zu vertiefen oder eine ergänzende Methode zu etablieren. 


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